Was ADHS mit Wäschekörben zu tun hat
Und warum sie das Bermuda-Dreieck der häuslichen Ordnung sind
Der Wäschekorb – eine unschuldige Plastikwanne, entworfen für den noblen Zweck, Textilien zu transportieren. In ADHS-Haushalten jedoch? Ein mystisches Objekt, das sich mit den Prinzipien der Raum-Zeit-Kontinuität angelegt hat.
Man könnte meinen, ein Wäschekorb sei selbsterklärend: schmutzige Klamotten rein, saubere raus, fertig. Aber wer mit ADHS lebt, weiß: Der Wäschekorb ist entweder
a) randvoll,
b) leer, weil du um 03:17 Uhr morgens in einem Anfall von Hyperfokus ALLES gewaschen hast, inklusive des Hundes,
oder
c) plötzlich verschwunden, weil du ihn für einen spontanen DIY-Blumentopf zweckentfremdet hast.
Das Problem ist nicht Faulheit. Es ist ein verdammt komplexer Mix aus neurologischen Eigenheiten, der sich in einem völlig normalen Wohnzimmer manifestiert.
Wenn du jetzt denkst: „Okay, und was mach ich, wenn mein Gehirn schon beim Gedanken an die Wäsche explodiert?“ – dann hilft manchmal ein kleiner Trick für die Hände.
Ich hab zwei Fidget Tools getestet, die mir helfen, den Fokus zu finden, wenn mein Kopf wieder mal Lost & Found spielt.
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Psychologische Einordnung: Exekutive Dysfunktion in Aktion
Das Gehirn mit ADHS hat keinen zuverlässigen Manager. Die sogenannten exekutiven Funktionen – also Planen, Starten, Durchführen von Aufgaben – laufen nicht synchron. Es ist wie ein Orchester ohne Dirigent: Alle Instrumente sind da, aber sie spielen „Bohemian Rhapsody“ und „Stille Nacht“ gleichzeitig.
Das führt dazu, dass du:
– siehst, dass der Wäschekorb überquillt,
– weißt, dass du dich kümmern solltest,
– und trotzdem lieber das Etikett deiner Wasserflasche abfummelst, weil das irgendwie… machbarer ist.
Reizfilterschwäche und das unsichtbare Chaos
Ein Wäscheberg ist kein Notfall. Kein Geräusch, kein Blinken, kein Countdown. Kein Dopamin.
Er ist still. Passiv-aggressiv still. Und genau da liegt das Problem: Für ein ADHS-Gehirn zählt, was reizt. Und ein sich langsam füllender Korb reizt gar nix.
Stattdessen wird der Fokus von allem gestohlen, was lauter, bunter, dramatischer ist – also z. B. von der Erkenntnis, dass man plötzlich ALLE Fenster putzen muss, weil ein Fussel auf der Fensterbank sitzt und dich verhöhnt.
Aufschieberitis: Wenn ein kleiner Task wie Mount Everest wirkt
„Mach halt einfach die Wäsche!“ sagen Menschen, die nie erlebt haben, wie sich 15 Sekunden Aktivität wie eine unüberwindbare Wand anfühlen können.
Denn das ADHS-Gehirn denkt nicht in „kurzen Tasks“, sondern in Systemüberforderungen. „Wäsche machen“ bedeutet:
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erst sortieren,
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dann waschen,
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dann Zeit im Blick behalten (ha!),
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dann aufhängen oder in den Trockner,
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dann falten,
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dann verräumen.
Das sind sechs Schritte. Sechs! Für eine einzige Aktivität. Das ist kein „Quick Task“, das ist ein Escape Room ohne Lösungszettel.
Strategien aus der Praxis (und Psychologie)
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Chunk it down.
Mach nicht die Wäsche. Mach einen Schritt: nur sammeln. Später: nur in die Maschine tun. Zerlege den Berg in Kieselsteine. -
Verknüpfe es mit Ritualen.
Zähne geputzt? Waschmaschine anwerfen. Kaffee fertig? Trockner ausräumen. Du brauchst äußere Trigger, weil dein inneres Planungsteam gerade Betriebsferien hat. -
Mach's absurd.
Zieh dir dabei ein Ballkleid an. Oder tu so, als wärst du in einer Teleshopping-Show. Dein Hirn liebt Entertainment – gib ihm welchen. -
Belohne dich vorher. Nicht erst nachher.
Dopamin vorweg ist besser als ein imaginärer Keks am Ende. Gönn dir die Playlist, den Podcast oder das fancy Getränk sofort – das Gehirn will JETZT was davon haben.
Fazit:
Der Wäschekorb ist kein Feind. Aber er ist ein verdammt gutes Beispiel dafür, wie neurodiverse Gehirne funktionieren: anders, nicht schlechter. Und wie viel Energie es kosten kann, Dinge zu tun, die für andere selbstverständlich sind.
Also, wenn dein Wäscheberg mal wieder die Raumhöhe sprengt: Du bist nicht komisch. Du bist neurologisch kreativ. Und das ist okay. Nur… vielleicht suchst du den Korb besser wieder, bevor er einzieht.
Du bist nicht faul, du kämpfst einfach mit einem unsichtbaren Endgegner – sei sanft mit dir.

